Die Internet-Kolumne

von Hartmut Pospiech



Erster Tag: Papst Clemens XII... (Teil 2)

Nach Ende des Messetags landen wir im Café Laumer. Die Kellnerin wirft gerade die letzten Stammgäste raus, weil Rowohlt den Laden während der Messe als Betriebskantine benutzt. Wir nennen irgendeinen Namen, von dem wir glauben, er gehört zu einem Rowohltmitarbeiter - und dürfen bleiben. Wir können noch eine Getränkebestellung abgeben, dann wird es immer voller, das Personal ist hoffnungslos überfordert, obwohl die Abendkarte bereits radikal minimalisiert ist.

Jürgen Abel ist im Verkehrsstau steckengeblieben und teilt uns mit, dass wir definitiv erst ab 22.30 h in die Rowohlt-Party reingelassen werden. Endlich können wir eine Essensbestellung loswerden. Auf dem Klo spreche ich mit einem Fremden. Er meint scherzhaft, dass Bücher schmutzige Hände machen. Im Lokal sehe ich eine Frau in einem blauen Kostüm. Sie erinnert mich an die Herausgeberin meiner ersten Kurzgeschichten. Ich habe sie nie persönlich getroffen, nur einmal vor fünfzehn Jahren im Fernsehen gesehen.

Ich fühle mich bescheuert, frage sie aber dann doch: Sie ist es. Wenige Momente später kommt der Mann vom Klo dazu. Es ist ihr Ehemann, selbst Schriftsteller, der mich vor fünfzehn Jahren zum Schreiben ermutigt hat. Wir reden, aufgeregt, ein bisschen unfähig, was wir mit diesem Zufall anfangen mögen. Die Beiden haben noch Termine. Wir tauschen Adressen und verabschieden uns. Ein schöner Abschluss für diesen Tag. Als ich an meinen Tisch zurückkomme, ist leider mein Steak kalt.

Wir hängen uns an den Autor Lou Probsthayn und seinen Verleger Mirko Schädel, der überraschend angetrunken ist und auf unterhaltsame Weise versucht, ganz Frankfurt zu provozieren.

Auf der Rowohlt-Party werden wir abgewiesen, obwohl Lou von Harry Rowohlt persönlich eingeladen wurde. Frau Knecht an der Tür ist eisig und behauptet, dass es einfach zu voll sei. Dennoch lässt sie Herrn Dormagen, der gleich nach uns kommt, ohne Zögern hinein. Lou droht Gewalt an, Frau Knecht behauptet, Karate zu können.

Wir gehen noch was trinken. Stoßen später zur Rowohlt-Party. Mirko provoziert Rudolf Scharping in meiner Abwesenheit, schläft aber ein, bevor Fritz J. Raddatz an die Reihe kommt. Die Drinks sind umsonst. Die Einrichtung Eiche dunkel. An der Wand ein Spruch, der die Kraft des Männergesprächs beschwört. Ich führe noch nette Gespräche mit anwesenden Frauen aus dem Verlagswesen.

Dann schnappen wir uns ein Taxi. Wie bei der Ankunft tags zuvor, weiß der Taxifahrer nicht, wo unsere Unterkunft liegt. Anscheinend arbeiten während der Buchmesse nur Aushilfsfahrer.

Nachts auf dem Klo studiere ich ein eindrucksvolles Plakat, das Kurzbiographien aller Päpste auflistet. So erfahre ich noch kurz vorm Einschlafen, dass Clemens XII sich nicht in die damaligen Kriege mischte, das Verbot des Lotto-Spiels aufhob, worauf die Zahlen 56-18-54-16-4 und 6 als erste gezogen wurden - und dass er in Neapel ein Institut für junge Chinesen bauen ließen. Offenbar ist dem Texter dieser Biografie nicht klar, dass das sehr pädophil klingt.




Wie geht's weiter?

Der Morgen bringt dem Autor ein böses Erwachen.
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© Hartmut Pospiech, 1996.


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