Hi! Die Internet-Kolumne

von Hartmut Pospiech
Hi!



Zweiter Tag: Slow Dazzle

Mühsam das Erwachen. Spät der Start in den Tag. Froh sind wir, daß wir keinen Stand haben. Es ist sagenhaft viel voller als am gestern: Bei diogenes drängeln sich die Leute wie in einem Wartesaal für einen IC mit zwei Stunden Verspätung. Aber mein eigener Tag will nicht so richtig anlaufen.

Am Nachmittag erlebe ich meinen ersten Anfall von Messeamnesie: Ich weiß, daß ich am Stand eines bekannten Verlages nach dem Cheflektor fragen soll, der ab 18 h endlich mal ein paar Minuten Zeit hat. Aber ich weiß nicht mehr, welcher Verlag es ist. Ich erinnere mich nur noch dunkel, daß er irgendwo in Halle 6.0 ist. Ich irre stolpernd ein wenig umher, während mich adrett gekleidete Mitarbeiterinnen einiger Verlage mit einem mitleidigen Lächeln bedenken. Schließlich gebe ich auf.

Wir fahren zurück in unsere Unterkunft und hängen unsere stinkenden Socken eine halbe Stunde auf den Balkon. Im Fernseher läuft "The Last Action Hero" mit Arnold Schwarzenegger.

Später wollen wir auf die Party vom Haffmanns. Wir nehmen die U-Bahn und laufen das letzte Stück. Die Straße heißt Oeder Weg und macht ihrem Namen alle Ehre. Ich überlege, ob es einen städtischen Bebauungsplan gibt, der verhindert, daß in dieser Straße hübsche Häuser gebaut werden. Die Kneipe, in der die Feier stattfindet, sieht aus wie eine piefige Eckkneipe und heißt "Aufschwung". Mein Kompagnon Folko hat schon einen leichten Messewahn und verwechselt den Türsteher mit Helmut Karasek. Man lächelt wieder über uns, läßt uns aber anstandslos hinein.

Wenig später kommt auch die Literaturagentin, mit der wir verabredet sind. Sie hat einen Begleiter dabei, dessen Name mir irgendwie bekannt vorkommt. Wir stellen gemeinsam fest, daß er Professor am Englischen Seminar im Hamburg ist, wo ich Anglistik studiert habe, und reden den ganzen Abend über englischen Humor. Wir verlassen die Kneipe als vorletzte, ärgern uns aber, weil wir keine CD mit einer Lesung von Harry Rowohlt abbekommen haben, die jemand recht großzügig verteilt.

Auch der dritte Taxifahrer kennt den Weg nicht, verfährt sich mehrmals, stellt aber immer gewissenhaft den Taxameter aus. Wir geben Trinkgeld.

Nachts auf dem Klo lese ich, daß der Nachfolger des Lottopapstes, Benedict der Soundsovielte, der gebildetste Papst des ganzen Jahrhunderts war.





Kommt der Autor dem dunklen Geheimnis der Päpste auf die Spur?
Lesen Sie die nächste Seite.
Hi! - vorige Seite nächste Seite - Hi!

© Hartmut Pospiech, 1996.

E-Mail * Zur Kolumnen-Homepage * Archiv

Übersicht * Autoren * Über den Writers' Room