Hi! Die Internet-Kolumne

von Hartmut Pospiech
Hi!

Frauen trösten: 167 Punkte

  • Teil 1: Die Valladolid-Diät



Leider gibt es noch keine Möglichkeit, Gerüche übers Internet zu übertragen. Ich warte aber guter Hoffnung darauf, daß eines Tages ein Plug-In namens RealSmell das Netz revolutionieren wird. Mit eigenem Komprimieriungsformat könnten dann alle Wohlgerüche Arabiens daheim in meiner Zweizimmerwohnung in Ottensen landen.

Gewiß ist das eine Vorstellung, die nicht jedem behagt. Schließlich könnte dann jene gehässige Bemerkung der Sarkastiker Wirklichkeit werden, die besagt, daß schon heute jeder Furz im Internet veröffentlicht wird.


Aber was hat das mit dieser Kolumne zu tun? Nun, Freunde und Freundinnen des Altmodischen, liebe LeserInnen und NetsurferInnen, eben stieg mir ein starker Seifenduft in die Nase, als ich die Plastiktüte mit den Memorabilien meines letzten Urlaubs hervorholte, den ich mit meiner Freundin in Spanien und Portugal verbrachte. Zu gern würde ich diesen Duft aufs Netz packen, den zu beschreiben mir einfach die Worte fehlen.

Leider ist auch der Scanner kaputt, so daß ich das intensiv riechende Seifenstück der Marke "Heno de Pravia" nicht einmal zeigen kann. Auch nicht zeigen kann ich, daß in der Bahnhofshalle von Valladolid vier Waagen stehen. Aber erzählen kann ich das, was ja auch bereits getan habe.


Anfangs habe ich mich noch gefragt, warum in der Bahnhofshalle von Valladolid vier Waagen stehen. Die Bahnhofshalle von Valladolid ist nicht übermäßig groß und auch nicht übermäßig frequentiert. Doch jeder, der einmal eine halbe Nacht in einer Bahnhofshalle auf einen Zug nach Portugal gewartet hat, weiß warum. Es geschieht ausschließlich, um wartende Reisende vorm Wahnsinn zu bewahren. Irgendwann ist man so müde, daß man nicht einmal mehr Theaterstücke von Ronald Ribman lesen kann.


Außer uns saßen nur noch zwei deutsche Rucksacktouristinnen im Wartesaal, die alle spanischen Vokabeln in ihrem Wörterbuch der Reihe nach übersetzten und sich gegenseitig abfragten. Dabei wurden auch Worte wie Rechenschieber oder Außenpolitik nicht ausgelassen. Meine Freundin verdrehte die Augen. Wir durften kein Wort miteinander reden, weil die deutschen Rucksacktouristinnen noch nicht gemerkt hatten, daß wir auch Deutsche waren.


Also inspizierten wir die vier Waagen in der Bahnhofshalle: eine mechanische, eine elektronische und zwei elektronische mit Körpergrößenmesser. Als altmodischer Mensch steckte ich zuerst hundert Peseten in die mechanische Waage, doch sie funktionierte nicht. Wir testeten eine der elektronischen Waagen mit Höhenmesser. Mutig stellte ich mich auf die Wiegfläche, über mir, wie an einer gebogenen Lampenhalterung, die Fotozelle.


Wieder waren hundert Peseten fällig. Das Ergebnis wurde ausgedruckt und sah so aus:


Wiegequittung



Wiegen kostet in Valladolid 100 Peseten, und man bekommt eine Quittung dafür.

Nachdem meine Freundin die Zahlen auf dem Ausdruck aufmerksam studiert hatte, sah sie mich kurz und kritisch an. Dann stellte sie sich ebenfalls auf die Waage und warf einhundert Peseten ein. Sie erhielt einen Ausdruck, studierte ihn aufmerksam und lächelte glücklich. Seit diesem Augenblick gibt es die Valladolid-Diät.

Später hatte wir noch so viel Spaß dabei, Spanier zu beobachten, die aus Langeweile Geld in den Automaten warfen, so daß wir richtig bedauerten, als der Zug kam. Und die Rucksacktouristinnen sind zum Glück ganz woanders hingefahren.


Versäumen Sie nicht die spannende Fortsetzung dieser Urlaubsgeschichte!
Exklusiv auf den folgenden Seiten:


Teil 2: Pinkeln in Porto
Teil 3: Gebügelte Hähnchen und andere Spezialitäten
Teil 4: Ein ganz normaler Sonntag am Strand
Teil 5: Das Bahnhof-Fotoalbum
Letzter Teil: Ich gehe ins Kloster
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© Hartmut Pospiech, 1996.