Gebügelte Hähnchen
Hi! Die Internet-Kolumne

von Hartmut Pospiech
Hi!

  • Teil 3: Gebügelte Hähnchen und andere Spezialitäten




Am Nachmittag erreichen wir unser Ziel, Vila Praia de Ancora. Ancora stellt sich als ein unscheinbarer Ort mit eingebautem Sandstrand und einem tollen Sonnenuntergang heraus. Der Bahnhof, der gleich an der Hauptstraße liegt, ist eine bessere Bushaltestelle, nur hundert Meter vom Strand entfernt. Die Hauptstraße trägt den Namen "Straße des 5.Oktobers". Wir finden ein Zimmer in einem Privathaus. Die Wirtin spricht französisch und ist eine Sauberkeitsfanatikerin, aber sonst sehr herzlich. Wir verteilen unsere Kleidung erst einmal im ganzen Zimmer, weil uns die peinliche Sauberkeit ängstigt.

Am nächsten Morgen ist das Wetter mau, an Baden kaum zu denken, also beginnen wir mit dem Test der örtlichen Pastelarias. Durch unsere Erfahrungen in Spanien sind wir verwöhnt, doch das portugiesische Backgewerbe besticht durch Ideenvielfalt und niedrige Preise. Nach dem Frühstück besuchen wir den Wochenmarkt. Hier werden Musikcassetten, Fische, Fleisch und billige Imitationen von Levi's und Reebok angeboten. Ich erwerbe ein Kartenspiel.

In einem Imbiss in der Halle gibt es gegrillte Hähnchen, die nicht aufgespießt, sondern platt auseinander gebogen werden. Der Versuch, ein solches Hähnchen mit Pommes frites zu bestellen, fordert unsere Sprachkenntnisse bis an den Rand des Möglichen. Schließlich erfolgreich, setzen wir uns gemütlich kauend an die Balustrade am Strand, wo gerade ein Sandmodellierwettbewerb für anwesende Touristenkinder stattfindet. Einige von ihnen zeigen sich unter fachkundiger Beratung ihrer Eltern sehr talentiert und modellieren Anker, Volkswagen und Mickey Mouse.

Zum erstenmal fällt uns zur linken am Horizont in den Dünen ein stattliches Haus auf, dessen unbekannte Bestimmung sofort unsere Fantasie beschäftigt. Mutig gehen wir an den Strand, um zu baden. Sofort fängt es an zu regnen.

Wir entschliessen uns, mit dem Zug nach Valenca zu fahren, dem größten Grenzübergang nach Nordspanien. Der Ort ist trostloser als ein Arbeitervorort in einem Film von Faßbinder. In einem überhitzten Supermarkt ersteht meine Freundin eine Tafel Schokolade. Sie ist angelaufen. Lange Zeit suchen wir vergeblich nach der im Führer angepriesenen Altstadt, bis wir einer hupenden Autoschlange folgen.







Hi!
Mit Seife hat dieser Text gar nichts zu tun, nur der Scanner geht wieder.











Hi!



















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So finden wir sie, baulich entzückend in die alten Stadtmauern gequetscht. Fluchende Autofahrer quälen sich unermüdlich durch die engen Straßen, was aber durch tausende spanische Tagestouristen ziemlich erschwert wird. An mehreren Ecken stehen Lautsprecher, die diesen Ameisenhaufen mit "Oye como va" und anderen Titeln von Santana beschallen. Am erstaunlichsten ist allerdings, daß ausnahmslos alle Läden nur Handtücher anbieten. Vor allem Badehandtücher in jedem erdenklichen geschmacklosen Design.

Wir fragen uns, warum ausgerechnet hier die portugiesische Handtuchmafia ihren Zentralsitz hat und treten die Heimfahrt an.


Hi!
Es ist nicht bekannt, ob dieser Fado-Sänger Kontakte zur Handtuchmafia besitzt.

Abends wagen wir uns in die gefährliche Restaurantzone zwischen Bahnlinie und Strand. Geräumige Hallen, viersprachige Speisekarten und Kreditkartensymbole zeigen uns deutlich, daß hier Jagd auf den gemeinen Touristen gemacht wird.

Gleich am ersten Abend hat uns "Die Taverne" ein echtes Highlight zu bieten: Ein billiges Tagesangebot lockt uns herein. Das Folklore-Ambiente aus Plastik verleiht dem Werbeslogan "typisches Restaurant" ungeahnte Bedeutungen. Aus dem Rekorder dudelt "My Way", gesungen von einem hoffnungsvollen portugiesischen Nachwuchs-Sinatra. Die Speisekarte kommt vom "Lirios Verdes" nebenan, der beherrschenden Restaurantkette (3 Häuser am Strand). Wahrscheinlich wird das Essen auch von dort herübergetragen, denn es ist kalt, als bei uns auf dem Tisch landet. Im gebackenen Fisch findet meine Freundin tatsächlich etwas Fisch, aber immerhin schmecken meine Sardinen.

Am folgenden Abend haben wir nur wenig Bargeld dabei, gehen ins "Via Brasil" gleich nebenan und teilen uns eine Pizza. Der Kellner hält uns für Engländer und ist mufflig, aber die Pizza ist sehr amerikanisch, dick mit Käse und Knoblauch belegt, und schmeckt absolut genial. Wir geben reichlich Trinkgeld.

Zwei Tage später gehen wir noch einmal ins "Via Brasil", um andere Gerichte zu testen. Ein Fehler, wie sich schnell zeigt. Meine Freundin läßt die Nudeln zurückgehen: Sie sind stundenlang gekocht. Mein Steak hat als Beilage Reis und Pommes frites und dazu zwei Salatblätter. Der Kellner hält uns immer noch für Engländer, ist erst höflich, dann genervt und verlangt dann auch noch Geld für die Nudeln. Wir geben kein Trinkgeld und jammern auf dem Heimweg den gebügelten Hähnchen nach.



Versäumen Sie nicht die spannende Fortsetzung dieser Urlaubsgeschichte!
Exklusiv auf den folgenden Seiten.



Teil 4: Ein ganz normaler Sonntag am Strand
Teil 5: Das Bahnhof-Fotoalbum
Letzter Teil: Ich gehe ins Kloster

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© Hartmut Pospiech, 1996.